12.08.2020 | Michelle
Der hÀufigste Trigger zum Start eines Migrationsprojektes sind Lifecycle-Themen, oft technisch getrieben:
Eine eingesetzte Software oder Plattform wird vom Lieferanten nicht lĂ€nger unterstĂŒtzt, es muss auf eine neue Version oder gar auf eine andere Technologie migriert werden.
Eine eingesetzte Technologie entspricht nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Dies fĂŒhrt zum Beispiel dazu dass Mitarbeitende mit dem nötigen Know-How schwierig zu finden sind, neue Features nicht mehr wunschgemĂ€ss umgesetzt werden können, die Software nicht Online- oder Mobile-fĂ€hig ist oder die Benutzer die OberflĂ€che als veraltet und umstĂ€ndlich wahrnehmen und schlussendlich abspringen.
âMigrationsprojekte brauchen keinen PO, denn der Anforderungen sind klar: Alles was heute geht, soll morgen genauso funktionieren.â
Ich war in meinem letzten Mandat Product Owner fĂŒr die Weiterentwicklung eines Content Management Systems (CMS).
Parallel zur Weiterentwicklung arbeitete die IT daran das CMS auf die nĂ€chste Version zu migrieren. Die Projekte wurden parallel gefĂŒhrt, da das Business âtrotz Migration auch Features mit Business Value von der IT erwarteteâ, was durch die Migration nicht erfĂŒllt werden konnte.
Das Team fĂŒr die Weiterentwicklung war dasselbe wie fĂŒr die Migration.
Dieses Setting warf die erste Frage auf: Woran soll das Team arbeiten? Es gab 2 Backlogs: eines fĂŒr die Migration und eines fĂŒr die Weiterentwicklung.
Durch den Weggang des Product Owners gab es Unklarheiten in Bezug auf PrioritÀten und Verantwortlichkeiten. Um den aktuellen Arbeitsprozess zu visualisieren und Klarheit zu schaffen, haben wir von Scrum auf Kanban umgestellt. Zudem haben wir so die Anforderungen aus beiden Backlogs auf ein Board gebracht. Die Transparenz half uns dabei die wichtigsten Fragen sichtbar zu machen:
Wie priorisieren wir die Anforderungen der beiden Backlogs gegeneinander?
Wie gehen wir mit den Weiterentwicklungs-Anforderungen um?
jetzt umsetzen (Version 1)
2x umsetzen (Version 1 + 2)
spÀter umsetzen (Version 2)
Wer trifft diese Entscheidungen?
FĂŒr das Fach sind Migrationsprojekte wertlos - sie bringen dem Kunden keinen direkten oder sichtbaren Mehrwert. Wenn man jedoch die Prozesse gleichzeitig optimiert oder neue Features mitliefert, dann wird das Migrationsprojekt auch fĂŒr das Fach spannend. Kann man so noch von einem Migrationsprojekt sprechen? Gibt es ĂŒberhaupt 1:1 Migrationen, sodass âvorher und nachher alles genauso funktioniertâ? Oder anders gefragt: Macht es Sinn bei einer Migration ânurâ technische Belange zu beachten?
Ich wĂŒrde sagen es ist kein reines Migrationsprojekt mehr, wenn Prozessoptimierungen und neue FunktionalitĂ€ten Teil des Backlogs werden. Ich denke, dass es keine 1:1 Migrationen gibt, da die neue Version immer Ănderungen gegenĂŒber der alten Version enthĂ€lt - das zieht aus meiner Sicht immer Anpassungen technischer oder fachlicher Art nach sich. Die letzte Frage bzgl. Sinnhaftigkeit ist nicht ganz so einfach zu beantworten⊠Ein wichtiger Punkt ist sicherlich der Zeithorizont. Wenn eine Migration sehr lange dauert, möchte das Fach zwingend auch Neues fĂŒr die Endkunden mitliefern. Andererseits bedeutet mehr Arbeit auch immer mehr Zeit. Oder gibt es die Möglichkeit weniger wichtige Features durch neue Features zu ersetzen fĂŒr den GoLive-Termin? Das wĂŒrde jedoch bedeuten dass nachher nicht âalles genauso funktioniert wie vorherâ. Bei der Migration von Standardsoftware kann möglicherweise auch das Customizing minimiert werden in der neuen Version.
All diese Punkte sind bei meinem Mandat aufgetreten. Zudem wurde nach einem halben Jahr Migration und Weiterentwicklung noch ein weiteres Projekt gestartet, welches auf die Version 2 einen grossen Impact hatte. So sah dann die Migration schlussendlich folgendermassen aus:
Die Weiterentwicklungen fĂŒr die Version 1 mussten fĂŒr Version 2 nochmals gebaut werden, deshalb haben ich im Austausch mit den Stakeholdern versucht diese WĂŒnsche auf ein Minimum zu beschrĂ€nken.
Damit das Team ganz klar wusste was sie zu tun haben, wurden all diese Anforderungen in ein Backlog ĂŒbernommen und durch mich als Product Owner priorisiert. NatĂŒrlich erfolgte diese Priorisierung immer in Absprache mit den Stakeholdern.
Fazit: Es braucht einen PO fĂŒr das Backlog Management in Migrationsprojekten - denn sie werden nie 1:1 Migrationen sein.
Agile Projekte sind wertgetrieben. Durch die VerÀnderungen der Umwelt braucht es eine stÀndige Priorisierung der Anforderungen, damit nach der definierten Zeit und dem festgelegten Budget das aus Kundensicht wertvollste Produkt entsteht.
Das heisst, dass durch die oben genannten VerĂ€nderungen - zusĂ€tzliche Features aufgrund der Weiterentwicklung und dem Projekt X - trotzdem Geld- und Zeitvorgaben eingehalten werden können, wenn das Business bereit ist Anforderungen zu verschieben. Wenn keine Depriorisierung stattfindet, wird frĂŒher oder spĂ€ter doch am Budget oder am Zeitplan geschraubt. In meinem Mandat hat das folgendermassen ausgesehen:
Die strenge Einhaltung von Geld und Zeit hÀtten das Business gezwungen eine der folgenden Entscheidungen zu treffen:
keine Weiterentwicklungen mehr bis zum Launch von Version 2
Projekt X erst nach dem Launch von Version 2 starten
Backlogitems streichen, damit Zeit- und Geldvorgaben trotzdem eingehalten werden können
### Persönliche Learnings
es gibt keine 1:1 Migration
parallele Projekte fĂŒhren zu Verzögerungen von ProjektabschlĂŒssen
Migrationsprojekte werden seitens Business nicht als wertvoll fĂŒr den Kunden betrachtet