Erwartungs­manage­ment im agilen Umfeld

26.02.2019 | Rico

Bei vielen Initiativen, ein Unternehmen zu agilisieren, also zu einem agilen Unternehmen zu transformieren, wird immer wieder von einem Paradigmenwechsel gesprochen. Dementsprechend werden Erwartungen an die wachsende Wertschöpfung durch die Einführung von Agilität geschürt. Dabei bringt bereits das Wort Agilität an sich so unterschiedliche Definitionen mit sich, so dass falsche Erwartungen oftmals vorprogrammiert sind. Dieser Artikel soll helfen, die Erwartungen an die Agilität und die damit verbundenen Chancen und Risiken besser zu veranschaulichen.

Ebenen der Agilität

Beginnen wir mit den verschiedenen Ebenen, wie sich Agilität im Unternehmen bemerkbar machen kann. Generell kann dazu gesagt werden: je höher eine Ebene liegt, desto weniger sichtbar ist sie. Auch sind die Ebenen aufbauend zueinander.

Erwartungsmanagement

  • Mindset: …ist erreicht, wenn das oben erwähnte zur Gewohnheit wurde und nicht mehr bewusst darĂĽber nachgedacht werden “muss”
  • Werte: Transparenz, Commitment, Respekt, Mut, …
  • Prinzipien: Offen fĂĽr Veränderung, Selbstorganisation, …
  • Praktiken: Daily Meetings, Retrospektiven, Timeboxing, …
  • Tools und Prozesse: Scrum, Kanban, SAFe, DevOps, …

In der Praxis gestaltet es sich nun aber so, dass es der Organisation schwerfallen wird “direkt” an einer der höheren Ebene (z.B. den Werten) zu wirken. Mit der richtigen Anwendung der tieferen Ebenen (z.B. der Praktiken) kann sich die Organisation mit der Zeit aber in den weniger sichtbaren Ebenen stärken und so mehr und mehr Wert generieren.

Erwartungen an die Agilität

Nachdem wir uns den Ebenen gewidmet haben, versuchen wir nun die Erwartungen sichtbar zu machen. Theoretisch mĂĽsste man davon ausgehen, dass sich die Erwartungen linear zu den Ebenen verhalten, sprich:

Höhere Ebene = Mehr Wert (-schöpfung)

In der Praxis erfolgt diese Abstufung aber oftmals nicht, was eher zur folgenden pauschalen Erwartung fĂĽhrt:

Agilität* = Mehr Wert (-schöpfung)

* unabhängig der Ebene

Umfasst nun meine Initiative zum Agilisieren des Unternehmens nur die erste und vielleicht zweite Ebene (z.B. Einführung von Scrum auf Teamebene), so werde ich Schwierigkeiten haben die Erwartungen an die wachsende Wertschöpfung durch die Agilisierung erfüllen zu können. Der zu betreibende Mehraufwand für die agilen Tools und Prozesse (und ev. Praktiken) divergiert sogar so stark von meinen Erwartungen, dass ich die Initiative möglicherweise abbreche (siehe rote Linie).

Um die potenzielle Wertschöpfung maximal ausschöpfen zu können, sollte ich als Unternehmen also bestrebt sein, auf eine möglichst hohe Ebene zu gelangen. Typischerweise wird dies dadurch erreicht, indem ich versuche neben der Einführung von Tools, Prozessen und Praktiken, mit Changemanagement einen Kulturwandel im ganzen Unternehmen anzustossen. Der Kulturwandel sollte dabei zum Ziel haben, die Agilisierung des Unternehmen nicht nur auf die Entwicklung zu beschränken, sondern ganzheitlich sowohl hierarchien-, als auch organisationsübergreifend zu betrachten. Je nach Erfolg dieses Kulturwandels und nicht zuletzt der dazu benötigten Zeit, kann mehr und mehr Wert durch die Agilisierung generiert werden (siehe gelbe Linie).

Basierend auf den fünf Ebenen stellt sich nun die Frage, wie die letzte Stufe, das agile Mindset, erreicht werden kann. Hier sehen wir uns damit konfrontiert, dass diese Ebene wenig sichtbar bis komplett unsichtbar ist. Weshalb ist das Mindset so schwer greifbar? Unter Mindset verstehen wir das Denk- und Verhaltensmuster des Mitarbeiters, aber auch des Unternehmens als soziale Gruppe. Dieses Muster wird dabei als Standard wahrgenommen. Auf die Agilität bezogen heisst das, dass unser Denken und Handeln im Sinne der agilen Werte und Prinzipien erfolgt und wir dieses Denken und Handeln als “normal” oder eben Standard betrachten und somit “alte” Denk- und Verhaltensmuster als “falsch” empfunden werden. Damit strebt das agile Mindset ähnliche Ziele an, wie diese z.B. auch die Lernenden Organisationen** verfolgen (siehe grüne Linie).

** Peter M. Senge’s “Die fünfte Disziplin”

Dieser Artikel ist inspiriert vom Artikel “What is an Agile Coach?” von Simon Powers.

Was lernen wir daraus?

Auch wenn mit der Einführung von Scrum und Kanban sicherlich ein erster Schritt getan ist, so muss ich als Unternehmen dafür Sorge tragen, mich stets in Richtung einer nächsten Ebene zu bewegen. Nur so können am Ende die Erwartungen an die Agilität überhaupt erfolgreich erfüllt werden.